Die Erweiterung des globalen Wissens
„Das Internet-Lexikon Wikipedia ist eine der beliebtesten Webseiten - es kämpft um seine Glaubwürdigkeit
von Thomas Jüngling
Jeder einzelne weiss nicht viel, aber viele wissen eine ganze Menge. Das beweist täglich die Online-Enzyklopädie Wikipedia, in der alle Nutzer Beiträge zu jedem Thema einstellen können - jederzeit.
Daß dieses Konzept funktioniert, zeigte die Internet-Plattform, als der Tsunami im Indischen Ozean losbrach. Einen Tag später erschienen auf Wikipedia multimedial aufbereitete Erklärungen zur Entstehung der Welle, ständig aktualisierte Tabellen mit Angaben zu Toten und Vermißten sowie Links zu Hilfsorganisationen und Informationsquellen.
Dennoch gibt es zum Teil heftige Kritik. Wikipedia-Mitgründer und Ex-Vorstand Larry Sanger bemäkelte jetzt in diversen Online-Foren, daß vor allem akademische Experten den Einträgen nicht vertrauten. Zwar würden engagierte Freiwillige die Beiträge schreiben, dieser kleine Kreis hätte jedoch zum Teil krude Ansichten. So sind zum Beispiel die meisten Artikel über McDonald's wenig informativ, dafür kritisch bis bissig.
Das scheint viele hunderttausend Nutzer nicht zu stören. Wikipedia gehört zu den am meisten besuchten Webseiten überhaupt und registriert pro Monat 400 Millionen Seitenaufrufe. Auf das im Mai 2001 gegründete Deutschland-Portal kommen täglich 120 000 Nutzer. Es gibt bereits eine halbe Million Einträge in englischer und 180 000 in deutscher Sprache.
Dazu kommen Ausgaben in japanisch und französisch, aber auch in alemannisch und plattdeutsch. Das Wikipedia-Wissen verdoppelt sich alle zehn Monate. Auch dafür haben einige Institutionen die Seiten mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Titel "Beste Community". Bei Google-Suchergebnissen landen Wikipedia-Einträge oft unter den ersten zehn dargestellten Resultaten.
Wikipedia ist eine freie Enzyklopädie. Nutzer benötigen lediglich ein kleines Programm, Wiki genannt, um bestehende Artikel zu verändern oder neue zu schreiben. Geld gibt es dafür nicht, höchstens die Anerkennung der Community.
Die allerdings auch darauf achtet, daß kein Unfug auf den Seiten steht. Die Beiträge sollen sachlich richtig und, soweit dies möglich ist, neutral sein. Das ist nicht einfach zu erreichen. Auf die richtige Rechtschreibung achtet eine Software, für qualifizierte Beiträge müssen alle zusammen sorgen.
Daran hat es bisher gemangelt, daher hat Wikipedia eine Qualitätsoffensive gestartet. Es fehlen Index- und Einführungsseiten sowie Links zu anderen Artikeln. Engagierte Nutzer sollen überflüssige Beiträge ausmisten, andere ergänzen und neu gestalten. "In den letzten Jahren hat der gemeinschaftliche Review-Prozeß an Fahrt zugenommen", sagt Mathias Schindler, Vorstandsmitglied bei Wikipedia-Deutschland. "Dieser Prozeß beschreibt in etwa die obere Spitze der Wikipedia-Artikel."
Gründer Jim Wales nennt das wahrscheinliche Ergebnis dieser Arbeit Wikipedia 1.0. "Das wäre eine der größten Umwälzungen", sagt Schindler. Ein kleiner Schritt dahin wäre es, "Validierungstools für angemeldete Anwender" einzuführen. So wie Ebay-Kunden die Warenanbieter könnten Wikipedia-Nutzer die Beitragschreiber bewerten. Aus den "Featured Articles", wie sie Jim Wales nennt, würde Wikipedia einen gesicherten Bestand an guten Artikeln bilden. Alle weiteren Themen liefen als offenes Forum weiter.
Schon derzeit sei die Qualität gut, sagt Jim Wales. "Ständig sind Freiwillige online, um die Beiträge anderer Autoren zu kontrollieren." Alles werde fast in Echtzeit einer "Peer-Review" unterzogen, die Qualität steige mit der Zahl der Autoren. Fehler bleiben dadurch nicht lange unentdeckt, Hartnäckige können sie aber immer wieder hinzufügen. Daß sich die Wahrheit durchsetzt, ist nicht gesichert.“
Globales Wissen
Panorama - 31. Mär, 18:26